Igor & Olga

Igor & Olga

 

Großfürst Igor,

Sohn Rjuriks ( 877 – 945) und Regent Kievs von 912 bis 945. Er führte 914 Krieg gegen den slawischen Stamm der Drewljanen, schloss 915 mit den Petschenegen einen Friedensvertrag und wurde 945 von den Drewljanen erschlagen. Verheiratet war er mit Olga, sein Sohn war Svjatoslaw I.

 

Fürstin Olga

Olga, auch „die Heilige“ genannt (881 – 969), Frau des Grossfürsten Igor von Kiev, Herkunft aus Pskov, 1547 heilig gesprochen. Sie übernahm nach dem Tod ihres Mannes die Regentschaft für ihren Sohn und Nachfolger Swjatoslaw I. und führte diverse Steuern und Gastungsrechte ein. Taufen liess sich Olga 955 durch den byzantinischen Kaiser. Sie versuchte die Rus erfolglos zu christianisieren und wagte 987-988 einen weiteren diesmal erfolgreicheren Versuch.

Olgas Rache

Olga war aber in Kijev mit ihrem Sohne, dem jungen Svjatoslav: und sein Erzieher war Asmud und Vojevode war Svenald, des Mstischa Vater. Sprachen die Derevljanen: „Den russischen Fürsten haben wir erschlagen; laßt uns sein Weib Olga für unseren Fürsten Mal zum Weib nehmen, und mit Svjatoslav werden wir machen, was wir wollen.“ Und die Derevljanen sandten ihre angesehensten Männer, 20 an der Zahl, in einem Boote zu Olga. Und sie landeten in einem Boot unterhalb Boritschev. […] Und man meldete Olga, daß Derevljanen gekommen seien. Und Olga rief sie zu sich und sprach zu ihnen: „Gute Gäste sind gekommen.“ Und die Derevljanen antworteten: „Wir sind gekommen, Fürstin.“ Und Olga sprach: „Saget an, weswegen seid ihr hierhergekommen?“ Da antworteten die Derevljanen: „Uns sandte das Land der Derevljanen, also sprechend: Wir haben deinen Mann erschlagen, denn dien Mann war reissend und raubend wie ein Wolf; aber unsere Fürsten sind gut, und sie haben das Land der Derevljanen gut geweidet; so heirate unsern Fürsten Mal.“ Denn der Fürst der Derevljanen hiess Mal. Sprach Olga zu ihnen: „Eure Rede gefällt mir; meinen Mann aber kann ich nicht mehr auferwecken; euch aber will ich morgen vor meinen Leuten ehren. Doch jetzt geht in euer Boot und legt euch hochgemut im Boote nieder. Morgen will ich nach euch schicken; dann sollt ihr sagen: wir reiten nicht, noch gehen wir zu Fuss; tragt uns aber im Boot, und man wird euch im Boote herauftragen.“ Und sie entliess sie in ihr Boot. Da liess Olga auf dem Teremhof ausserhalb der Feste eine grosse und tiefe Grube ausgraben. Und am Morgen sandte Olga im Terem sitzend nach den Gästen. Und sie kamen zu ihnen und sprachen: „Olga ruft euch zu grosser Ehre.“ Sie aber sprachen: „Wir reiten nicht, wir fahren auch nicht, wir gehen auch nicht. Traget uns im Boot.“ Die Kijever erwiderten: „Wir müssen es wohl tun: unser Fürst ist erschlagen und unsere Fürstin will euren Fürsten heiraten.“ Und man trug sie im Boot. Die nun sassen da in faltigen Gewändern, mit großen Fibeln geschmückt und hochgemut. Und man trug sie zu Olga auf den Hof. Und da man sie hingetragen, warf man sie samt dem Boot in die Grube. Und Olga bückte sich hinzu und sagte zu ihnen : „Behagt euch die Ehre?“ Sie entgegneten: „Sie ist schlimmer für uns als Igors Tod.“ Und sie liess sie lebendig verschütten; und man schüttete sie zu. Und Olga schickte zu den Derevljanen und sagte ihnen: „Wenn ihr aufrichtig um mich werbet, so sendet angesehene Männer, damit ich in grosser Ehre komme euren Fürsten zu heiraten; sonst werden mich die Kijever nicht ziehen lassen.“ Als das die Derevljanen hörten, wählten sie ihre angesehensten Männer aus, die das Land der Dervljanen verwalteten und schickten nach ihr. Als die Derevljanen angekommen waren, liess Olga ein Bad zurüsten und sprach: „Wenn ihr gebadet habt, kommt zu mir.“ Und sie heizten die Badstube kräftig an, die Derevljanen gingen hinein und begannen sich zu waschen. Da sperrte man die Badestube hinter ihnen zu, und sie liess sie von der Türe her anzünden: und da verbrannten alle. Und sie sagte zu den Derevljanen, also sprechend: „Siehe, nun komme ich zu euch; bereitet grosse Mengen Met bei der Stadt, wo ihr meinen Mann getötet habt, damit ich über seinem Grabe weine und ein Totenmahl für meinen Mann veranstalte.“ Als sie das hörten, brachten sie sehr viel Honig zusammen und kochten ihn. Olga aber nahm einen kleinen Teil der Druzhina mit sich, zog eilends dahin, kam zu seinem Grabe und weinte um ihren Mann. Und sie befahl ihren Leuten einen grossen Grabhügel aufzuschütten; und als sie ihn aufgeschüttet hatten, befahl sie das Totenmahl zu begehen. Hierauf setzten sich die Derevljanen zum Trinken hin, und Olga befahl ihren Jungmannen sie zu bedienen. Und die Derevljanen sprachen zu Olga: „Wo sind unsere Gefährten, die wir ausgesandt haben dich zu holen?“ Sie antwortete: „Sie ziehen hinter mir her mit der Druzhina meines Mannes.“ Und als die Derevljanen trunken waren, liess sie ihre Jungmannen ihnen zutrinken, sie aber selbst ging weg und ihrer Druzhina befahl sie die Derevljanen niederzuhauen. Und sie hieben ihrer Fünftausend nieder. Olga aber kehrte nach Kijev zurück und rüstetet ein Heer gegen die Übriggebliebenen.

Die Iskorosten

Olgas Mann, der Großfürst Igor, hatte nach vorausgegangenen Eroberungen im Raum Kiev versucht, auch den Stamm der Derevljanen tributpflichtig zu machen. Diese jedoch wollten den wenig verlockenden Tributzahlungen entgehen, und so nahmen sie vorsorglich die Gelegenheit wahr, Igor mitsamt der ihn begleitenden kleinen Gruppe zu töten. Der Hass Olgas, als sie von dem Mord erfuhr, war grenzenlos und bestimmte von nun an ihr Leben…  … Nachdem sie eine Abordnung der Derevljanen in eine Grube werfen und dort lebendig begraben liess, verstand sie es, auch die Edelleute der Derevljanen auf ihre Burg zu locken, um sie in ihrer grenzenlosen Rache zu töten… ….Olga und ihr Sohn Svjatoslav sammelten zahlreiche Krieger und Recken und zogen gegen das Land der Derevljanen. […] Und sie besiegten die Derevljanen. Da flohen die Derevljanen und schlossen sich in ihren Städten ein. Olga aber zog eilends mit ihrem Sohne gegen die Stadt IskorostenŽ, wo sie ihren Mann getötet hatten, und sie umlagerte die Stadt mit ihrem Sohn. Die Derevljanen schlossen sich in der Stadt ein und wehrten sich kräftig von der Stadt aus, den sie wussten, dass sie den Fürsten getötet hatten, und was ihrer harre, wenn sie sich ergäben. Und Olga stand ein Jahr lang und konnte die Stadt nicht einnehmen. Da ersann sie folgendes: sie sandte zur Stadt und sprach: „Was wollt ihr noch länger warten? Alle eure Städte haben sich mir ergeben und sich zum Tribut verpflichtet, und sie bearbeiten ihre Äcker und ihr Land, ihr aber wollt lieber Hungers sterben als euch zum Tribut zu verpflichten.“ Die Derevljanen sprachen: „Gerne würden wir den Tribut übernehmen, aber du willst deinen Mann rächen.“ Da sprach Olga: „Meinen Mann habe ich schon gerächt, als sie zum ersten und zweiten Mal nach Kiev kamen, das dritte Mal aber, als ich den Leichenschmaus für meinen Mann veranstaltete; doch nun will ich mich nicht mehr rächen, sondern mich mit geringerem Tribut begnügen, und so ich mich mit euch versöhnt habe, will ich wieder wegziehen.“ Fragten die Derevljanen: „Was willst du von uns? Gern geben wir Honig und Pelzwerk.“ Sie antwortete ihnen: „Jetzt habt ihr weder Honig noch Pelzwerk, aber Weniges fordere ich von euch: gebt mir von jedem Hof drei Tauben und drei Sperlinge, denn ich will nicht einen schweren Tribut auferlegen, wie mein Mann tat, sondern nur dies fordere ich von euch; ihr seid ja bei der Belagerung verarmt; darum fordere ich nur weniges von euch.“ Die Derevljanen waren erfreut und sammelten vom Hof drei Tauben und drei Sperlinge und sandten sie ehrerbietig zu Olga. Olga aber sprach zu ihnen: „schon habt ihr euch mir und meinem Kinde unterworfen; geht jetzt in die Stadt, ich aber will morgen von der Stadt abziehen und in meine Stadt gehen.“ Die Derevljanen waren froh und kehrten in die Stadt zurück und sagte es den Leuten; und das Volk in der Stadt freute sich. Da gab Olga jedem ihrer Krieger eine Taube und anderen einen Sperling. Und sie liess an die Tauben und Sperlinge Schwefel befestigen, ihn mit kleinen Läppchen umwickeln und sie mit einem Faden festbinden. Und als es dämmerte, befahl Olga ihren Kriegern die Tauben und Sperlinge loszulassen: da flogen die Tauben und Sperlinge in ihre Nester, jene in die Taubenschläge, die Sperlinge unter ihre Dächer. Und so begannen die Taubenschläge und die Vorratskammern und die Türme und Scheunen zu brennen, und kein Hof war, wo es nicht brannte, und es war nicht möglich zu löschen, denn alle Höfe begannen zu brennen. Und die Leute flohen aus der Stadt, und Olga befahl ihren Truppen sie gefangen zu nehmen. Und als die Stadt genommen hatte, brannte sie sie nieder, nahm die Ältesten der Stadt gefangen und vom übrigen Volk erschlug sie die einen, andere übergab sie ihren Mannen zum Sklavendienst, die Übrigen aber von ihnen liess sie am Leben, um Tribut zu zahlen. Und man legte ihnen schweren Tribut auf; zwei Drittel des Tributs kamen nach Kiev, ein Drittel nach Vyschegorod an Olga; denn Vyscheegorod war Olgas Stadt. Und Olga durchzog mit ihrem Sohn und der Druzina das Land der Derevljanen und setzte den Zins fest; und dort sind ihre Lagerplätze und ihre Jagdplätze. Und sie kehrte mit ihrem Sohn Svjatoslav in die Stadt Kiev zurück.

PVL, Übersetzungen von L. Müller, G. Schramm, S. A. Zenkovsky